Graue Schwester
* 24. September 1909 Riegersdorf (Kr. Neustadt)
† 1. März 1945 Lauban (Reg. Bez. Liegnitz)
Im oberschlesischen Ort Riegersdorf im Kreis Neustadt kam Anna Thienel am 24.9.1909 zur Welt. In die Kongregation der Schwestern von der hl. Elisabeth trat sie am 22.2.1933 ein, als Adolf Hitler bereits an der Macht war. Am 10.10.1933 wurde sie in das Noviziat aufgenommen. Ihre erste Profeß, bei der sie die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ablegte, war am 24.10.1934. Die ewige Profeß erfolgte am Gedenktag des hl. Ignatius von Loyola des Jahres 1940.
Nach der Evakuierung der Grauen Schwestern aus ihrer Niederlassung in Breslau kam Sr. Sabina in das St. Antoniusstift in das niederschlesische Lauban, wo die russischen Soldaten bei ihrem Einzug Februar 1945 die dortigen Schwestern mißhandelten und mißbrauchten. Als sie auf mutige Weise ihre gottgeweihte Jungfräulichkeit verteidigte und sie einer Vergewaltigung entging, wurde sie am 1.3.1945 kaltblütig niedergestreckt. Über die dramatische Situation liegt folgender Bericht vor: „Am 28. Februar gegen Mittag drangen die Russen in unser Haus, etwa 100 bis 150 Mann. Da einige Schwestern polnisch sprachen, konnten sie sich mit ihnen verständigen. Gegen Abend kamen vier Kommissare mit ihrem Stab, sie blieben alle in unserem Haus bis zum 5. März. Am 1. März wollten wir fliehen, weil in der vergangenen Nacht eine Schwester vergewaltigt worden war. Wir durften aber nicht aus dem Hause, sondern mußten mit unseren Altersheiminsassen und mehreren Flüchtlingen – insgesamt 45-50 Personen – zusammengepfercht im Zimmer bleiben. In den ersten Morgenstunden wurden drei weitere Schwestern Opfer der Vergewaltigung. Die Schwestern haben sich sehr gewehrt und wollten sich lieber erschießen lassen. Sie mußten vieles erdulden. An diesem Morgen war es auch, daß Schwester M. Sabina Thienel, die aus Breslau, Fischergasse, nach Lauban geflüchtet war, erschossen wurde. Am Abend zuvor hatte ein Russe versucht, sie wegzuschleppen. Sie aber hielt das Kreuz mit beiden Händen, klammerte sich an eine Mitschwester, und mit lauter Stimme wiederholte sie immer wieder: ,Heilige Muttergottes, schütze mich, meine Jungfräulichkeit, laß mich als Jungfrau sterben!‘ Es gelang dem Russen nicht, sie von der Stelle zu bringen. Am 1. März früh knieten die Schwestern im Zimmer nebeneinander. Schwester M. Sabina wiederholte ihre Bitte: ,Heilige Muttergottes, laß mich als Jungfrau sterben, schütze meine Jungfräulichkeit!‘ Da traf ein Schuß, der durch die Tür des Nebenzimmers kam, die noch kniende Schwester M. Sabina durch die Brust. Noch einmal öffnete sie ihre Augen, dann verschied sie. Wir sagten alle einstimmig: ,Ein Opfer der Jungfräulichkeit liegt vor uns!‘ Bis zum nächsten Tag blieb sie zwischen uns liegen, dann brachten wir sie ins Nebenzimmer. Am 6. März befreiten uns deutsche Soldaten aus dem Hause, wir mußten schnell fort. Die Soldaten versprachen uns, die Schwester zu begraben.“ (Engelbert, Geschichte. Bd. 3, 94f.)